Die 90er Jahre – ein Jahrzehnt des Wandels


Mit dem neuen Jahrzehnt brach eine Zeit der großen Veränderungen an.

Im Februar 1990 war der Männerchor zum ersten (und einzigen) Mal im Radio zu hören, in der Sendung „Sang und Klang“ des Südwestfunks.

Im Juni des Jahres veranstaltete der Liederkranz Wiernsheim erstmals das Plattenfest in der neu errichten Festhalle (= Lindenhalle). Wie seither üblich wurde zwar deutsch gesungen, aber nicht nur deutsche Lieder, denn das Konzertsingen stand unter dem Thema: Völker der Welt durch Lieder verbunden“.

Anfang Oktober 1990 folgte man einer Einladung des Männerchores aus Zwintschöna bei Halle und machte – dank der nun geöffneten Grenze - einen dreitägigen Ausflug dorthin.

Auch die Jahresfeier, die seit vielen Jahren immer im Bürgersaal stattgefunden hatte, wurde im Dezember 1990 erstmals in der neuen Festhalle abgehalten. Endlich hatte man viel Platz, bei etwa 300 Gästen fast ein wenig zuviel Platz.

Doch gab es leider auch negative Entwicklungen. Nach vielen vergeblichen Versuchen, Kinder und Jugendliche für das Singen zu begeistern wurde 1990 der Jugendchor aufgelöst. Auch im Männerchor nahm der Singstundenbesuch ab und von mancher Seite wurde fehlende Harmonie beklagt.

Dennoch trat der Verein immer wieder als hervorragender Organisator guter und gut besuchter Veranstaltungen in Erscheinung, sei es als Veranstalter eines Konzertes des Mittleren Bezirks im April 1991 (Besonderes Lob gab es, dass man Kunst über Kommerz gehen ließ und während der Liedvorträge nicht servierte), als Gastgeber des Männerchores aus Zwintschöna im Frühjahr 1991 oder auch mit der Jahresfeier in der Lindenhalle, für die man das Mundharmonikaorchester Knittlingen als Publikumsmagneten gewinnen konnte.

Anfang 1992 wurden erstmals Gedanken laut über die Gründung eines gemischten Chores. Otto Jäger trug die Idee vor, fand aber keine Resonanz bei seinen Mitsängern.

Die Entwicklung der Sängerzahl wurde immer bedenklicher und so startete man im August eine Haus-zu-Haus-Werbeaktion, leider nur mit einem recht bescheidenen Ergebnis. Immer häufiger wurde über die Gründung eines gemischten Chores nachgedacht. Chorleiter Alex Rieger und Vorstand Dieter Zundel interessierten sich dabei vor allem für eine ganz neue Chorgattung, den „Jungen Chor“. Mit „jung“ bezeichnete man in diesen Chören nicht das Alter der Sänger und Sängerinnen, sondern die Art der Chorliteratur: moderne, junge Lieder, häufig in englischer Sprache.

Doch auch der immer kleiner werdende Männerchor brachte nach wie vor gute Leistungen hervor. So konnte man 1992 bei einem Kritiksingen in Hemsbach immerhin einen 3. Platz ersingen und einen schönen Pokal mit nach Hause bringen.

Die neue, große Mehrzweckhalle machte es möglich, dass nun auch in Wiernsheim ein Gautag abgehalten werden konnte. Im März 1993 hatte der Verein deshalb alle Hände voll zu tun. Die hervorragende Organisation und Durchführung waren gut für den Ruf und vor allem für die Vereinskasse.

1993 war auch wieder Renovieren angesagt. Die alte Grundschule war von der Gemeinde verkauft worden. Als Ersatz für den bisherigen Vereinsraum erhielt der Verein einen Raum im ehemaligen Waschhäusle. Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten zog man am 2. Oktober 1993 in das neue Domizil.

Nur eine Woche später stand die Ausrichtung des Liederabends der Plattengemeinschaft an. Unter dem Motto „Chormusik im Wandel der Zeit“ hatte man ein qualitativ ansprechendes Programm zusammengestellt. Leider ließ der Besuch dieses Konzertes zu wünschen übrig.

Bürgermeister Oehler, der die Gesangvereine der Gemeinde immer so gut es ging unterstützt hatte, initiierte im Februar 1994 eine neue Art von Konzert, das zunächst zusätzlich zu den Liederabenden der Plattengemeinschaft stattfand und sie später letztendlich ablöste: den „Wiernsheimer Konzertabend“. Die Idee war die, dass die Gemeinde für die Verpflichtung junger Künstler die finanziellen Mittel zur Verfügung stellte und die Gesangvereine sämtliche Organisation und die Gestaltung des Rahmenprogramms übernehmen sollten. Der erste Konzertabend fand in Pinache statt; auch der Wiernsheimer Männerchor wirkte mit.

Der 25. März 1994 ist zweifellos einer der ganz markanten Tage in der Vereinsgeschichte, denn an ihm ging die fast 140jährige Zeit des frauenlosen Singens im Liederkranz Wiernsheim zu Ende. 15 Frauen und Männer trafen sich zu einer ersten Chorprobe und gründeten einen Jungen Chor, der sich später den Namen „Ohrwurm“ gab.

Singende Frauen im Verein – daran schieden sich fortan die Geister. Was die einen als positive, belebende Ergänzung des Vereinslebens sahen, war für manch andere eher störend. Viele Sänger freuten sich darüber, dass es weiterging im Verein, andere zogen sich ganz zurück.

Durch die Wahl von Edelgard Dieden und Eva Wächter als Beisitzerinnen bei der Generalversammlung im Januar 1995 bekam die Vorstandschaft erstmals offiziell weibliche Verstärkung. Und die konnte man gut brauchen, denn für das Jahr 1995 hatte man sich einiges vorgenommen. Unter anderem standen die Teilnahme beim Wiernsheimer Konzertabend (Männerchor), beim Plattenfest (Männerchor und Ohrwurm), das Straßenfest und die Jahresfeier an. Außerdem wurden ein Tagesausflug, das traditionelle Otto-Jäger-Fest und die Familienweihnachtsfeier im Bürgersaal organisiert - Veranstaltungen, die das Näherkommen und Vertrautwerden der beiden Chöre förderten.

Im Sommer 1995 wurde von Monika und Michael Kocher der Kinderchor KidsHits ins Leben gerufen. Viele Sängerinnen und Sänger im Ohrwurm hatten Kinder, die immer wieder gefordert hatten, doch auch in einem Chor Singen zu dürfen. Als Betreuer des sehr schnell wachsenden Kinderchores fanden sich Monika und Karl-Heinz Paul aus dem Ohrwurm.

Wichtige Ereignisse und Aufgaben des Jahres 1996 waren das Ausrichten des Wiernsheimer Konzertabends, der Besuch des Männerchores aus Zwintschöna, Teilnahme am Straßenfest und bei den Kindererlebnistagen, das Mitwirken des Männerchores beim Plattenfest in Serres und die Jahresfeier in der Lindenhalle.

Das 140jährige Bestehen des Vereins wurde 1997 mit einem gelungenen 2-tägigen Liederfest in der Lindenhalle gefeiert. Am Samstagabend unterhielten 10 Chöre sowie der Wiernsheimer Gemeinschaftschor mit einem eher traditionellen Programm die etwa 500 Gäste. Den Sonntagnachmittag gestalteten Kinder- und Jugendchöre und am Abend ließen in einem Konzert Junger Chöre die Sängerinnen und Sänger mit moderner Chormusik das Publikum ins Schwärmen geraten.

Alle Gruppen des Vereins 1998

Leider blieb der Männerchor das „Sorgenkind“ des Vereins, denn trotz vielfältiger Werbeaktionen fand sich kein Sängernachwuchs. 1998 versuchte man deshalb, einen gemischten Chor zu gründen, in der Hoffnung, dadurch einen Aufschwung für den Männerchor zu erreichen – eine vergebliche Hoffnung, denn nur eine einzige Sängerin zeigte Interesse an dem gemischten Chor.

Im Juni 1998 wurde es international im Mittleren Bezirk und damit auch in Wiernsheim. An zwei Tagen fanden „Internationale Chorkonzerte“ in Mühlacker statt. Männerchor und Ohrwurm sangen mit und beherbergten zahlreiche Gäste. Neben dem Chorgesang vom Feinsten waren es vor allem die zwischenmenschlichen Kontakte, die noch lange im Verein nachwirkten.

Im September 1998 übernahm Katja Lust, eine der jungen Ohrwurmsängerinnen und frisch gebackene Vizechorleiterin, die Leitung des Kinderchores, musste aufgrund ihrer beruflichen Ausbildung jedoch schon nach wenigen Monaten diese Aufgabe abgeben. Überaus glücklich waren Kinder, Eltern und Verein, dass nun Bettina Hudak, eine der Gründerinnen des Ohrwurm und Vorstandsmitglied, die Regie im Kinderchor übernahm. Eine wertvolle organisatorische Stütze war ihr dabei Monika Paul, die die KidsHits schon von Anfang an betreut hatte.

Der Kinderchor wuchs, der Ohrwurm entwickelte sich zahlenmäßig und gesanglich gut, doch wie sollte es mit dem Männerchor weitergehen? Ende des Jahre 1998 entschloss man sich, mit einem neuen Chorleiter den erhofften Aufschwung zu versuchen.

Das Ergebnis der Vorstandswahlen 1999 spiegelte ebenfalls deutlich die interne Entwicklung wider: die Männer waren amtsmüde geworden, gaben immer mehr Verantwortung an die „Jungen“ ab. Von 12 Posten waren nur noch 4 aus dem Männerchor bekleidet, 5 Ämter waren von Frauen bekleidet.

Nach Vereinssatzung gab es eigentlich gar keine Frauen im Verein. Dieser Schönheitsfehler wurde auf der Mitgliederversammlung im Januar 1999 korrigiert, als die komplett überarbeitete Satzung nach eingehender Diskussion einstimmig angenommen wurde.

Auch die Spieler der Mundharmonikagruppe kamen allmählich in die Jahre. 1998 mussten sie den Tod ihres Mitspielers Georg Dihlmann beklagen und stellten sich verstärkt die Frage, wie es mit Ihnen weitergehen solle und wie sie Nachwuchs gewinnen könnten.

Ab Januar 1999 übernahm Hans-Dieter Schulz die Leitung von Männerchor und Ohrwurm. Schon gleich wartete eine große Aufgabe auf Chorleiter und Verein: die Ausrichtung des Gautags in Wiernsheim. Mit Bravour wurde dies gemeistert.

Im September wurde eine weitere Gesangsgruppe unter dem Dach des Liederkranzes gegründet – ein Jugendchor, in dem sich vor allem viele Jugendliche fanden, die dem Kinderchor entwachsen waren, jedoch im Ohrwurm (noch) nicht ihren Platz sahen. Die Leitung übernahm die Ohrwurmsängerin Daniela Garbatzki.

Das Glanzstück des Jahres und absolut würdiger Abschluss des 2. Jahrtausends war die Jahresfeier „Das 20. Jahrhundert – ein klangvoller Rückblick“ im Oktober 1999 in der Lindenhalle. Die Lindenhalle zum Bersten gefüllt, ein Superprogramm, keine Pannen, großes Lob von allen Seiten – mit einer solchen Veranstaltung konnte man gut motiviert ins neue Jahr (-zehnt, - hundert, -tausend) starten.

Ohrwurm 2007
KidsHits 2007
Chordination 2007